Förderprogramme zur Unternehmensentwicklung in der Forstwirtschaft: Eine notwendige Perspektivverschiebung
von Bastian Ruffer, Justus Eberl, Christoph Deselaers
Titelbild: erstellt mit DALL-E
Die Förderpolitik in der deutschen Forstwirtschaft ist bis heute geprägt von einer eindimensionalen Logik: Wald wird gefördert, nicht das Unternehmen. Pflanzung, Pflege, Schutz – alles sinnvoll und notwendig. Doch die betriebliche Infrastruktur, die diese Leistungen überhaupt erst tragfähig macht, bleibt im Schatten. Dabei ist längst klar: Wer Digitalisierung fordert, muss Investitionen ermöglichen. Und wer Investitionen fordert, kann sich nicht hinter der Floskel "unternehmerische Eigenverantwortung" verstecken, wenn gleichzeitig die strukturellen Voraussetzungen fehlen.
Forstbetriebe, forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse (sog. FZus/FWZ) und forstliche Dienstleister stehen regelmäßig vor der Modernisierung interner Abläufe. Gleichzeitig wachsen die administrativen Verpflichtungen, die vom Staat verlangt werden, während die Erlöse aus der Holzvermarktung stagnieren. Und nur mit Verwaltung lässt sich kein Geld verdienen. Die betriebliche Entwicklung wird so zur Achillesferse des gesamten Sektors. Der Bedarf an digitaler Infrastruktur, organisatorischer Beratung und darin qualifizierten Arbeitskräften ist evident – der Zugang zu geeigneten Fördermitteln hingegen vielerorts eine Zumutung
Zwar existieren Programme zur Digitalisierung und Unternehmensentwicklung, doch deren Ausgestaltung blendet die Realität forstlicher Betriebe oft aus. Landesprogramme wie der Digitalbonus (Bayern, Niedersachsen, Thüringen), BIG Digital (Brandenburg) oder der MID-Gutschein Digitalisierung (NRW, Stand 31.3.25: 780 Bewerbungen auf 40 Plätze) richten sich explizit an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft. Forstbetriebe hingegen werden häufig steuerlich als land- und forstwirtschaftliche Urproduktion klassifiziert (entsprechend §15 EStG) – mit dem Resultat, dass sie förderrechtlich durch das Raster fallen.
"Folgende Bereiche und Branchen sind von der Förderung ausgeschlossen:
• Nebenerwerbsunternehmen
• Betriebe der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft und der Aquakultur sowie des Bergbaus"
TMWWDG, Thüringer Aufbaubank (2024). Richtlinie zum Förderprogramm Digitalbonus Thüringen.
🔗 https://www.aufbaubank.de/Foerderprogramme/Digitalbonus-Thueringen
Die Folge ist ein systematischer Widerspruch: Betriebe, die wirtschaftlich handeln, Holz produzieren und dann vermarkten, werden formal nicht als Unternehmen behandelt. Dabei hat der Europäische Gerichtshof bereits 1991 klargestellt:
"Ein Unternehmen ist jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung."
Europäischer Gerichtshof (1991). Rs. C-41/90 Höfner und Elser, Rn. 21. Urteil vom 23. April 1991.
🔗 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:61990CJ0041
Diese Form der wirtschaftlichen Tätigkeit wird steuerlich so lange der Land- und Forstwirtschaft zugeordnet, bis eine gewerbliche Komponente hinzutritt. Förderrechtlich relevant wird ein Betrieb erst dann, wenn er – über die Bewirtschaftung eigener Flächen hinaus – zusätzlich entgeltliche Dienstleistungen für Dritte erbringt. Erst dann liegt eine „mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit“ im Sinne des Gewerbesteuergesetzes vor (BMEL 2023) und die formale Anerkennung als gewerbliches Unternehmen wird möglich.
In der Praxis ist dies jedoch für die Mehrheit der Waldbesitzenden und Forstbetriebe kaum realisierbar. Zusätzliche Dienstleistungen anzubieten – neben der ohnehin herausfordernden Betriebsführung – übersteigt häufig deren personelle, zeitliche und wirtschaftliche Kapazitäten.
Mit anderen Worten: Die Realität forstwirtschaftlichen Wirtschaftens wird rechtlich marginalisiert – und genau darin liegt das strukturelle Problem.
Trotz dieser strukturellen Hürden existieren Förderangebote, deren Nutzung – bei kluger Antragstellung – durchaus möglich ist:
Gefördert werden können derzeit:
Doch diese Möglichkeiten erreichen die forstlichen Zielgruppen kaum. In einer Untersuchung des Cluster Forst Holz Bayern (Rahm et al., 2021) wurde festgestellt:
"Probleme bei der Umsetzung bereiten ein hohes Arbeitsvolumen im Kerngeschäft, hohe Kosten und fehlende Ansprechpartner. Zudem sind Fördermöglichkeiten bei den Befragten unzureichend bekannt und Mitarbeiterschulungen zur Digitalisierung selten."
Rahm, J., Bauer, J., & Röder, H. (2021). Digitalisierung der Forstwirtschaft in Bayern. LWF aktuell, Heft 131 (Ausg. 4/2021), S. 21–23. Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft Bayern 🔗 https://www.lwf.bayern.de/wissenstransfer/forstliche-informationsarbeit/287059/index.php
Hinzu kommt: Die Bagatellgrenzen vieler Programme liegen häufig bei 5.000 Euro oder mehr. Doch der Bedarf in der Forstpraxis liegt oft darunter: einzelne Softwarelösungen, Cloud-Abos oder Schulungen kosten selten mehr als 1.000 - 2.500 Euro im Jahr. Der Versuch, 2.500 Euro Förderung zu beantragen, verursacht nicht selten Verwaltungsaufwand, der wirtschaftlich grotesk ist. Geschweige denn, es gibt überhaupt ein entsprechendes Förderprogramm.
Es sei dazu gesagt, dass Bagatellgrenzen, Vorgaben und Bedingungen der Förderprogramme durchaus ihre Berechtigung haben. Denn die Mittel sollen ihrem Zweck zufließen und nicht wahllos abgeschöpft werden. Doch bedarf es hierzu auf die Forstwirtschaft angepasste Förderrichtlinien, welche die Struktur und Gegebenheiten der Branche beachten.
Eine weitere Hürde besteht im Risiko, unter den Bedingungen schmaler Wertschöpfungsketten eine Fehlinvestition zu tätigen. Forstbetriebe stehen vor einem Dilemma: Die Mittel sind begrenzt, die Optionen vielfältig, die Zukunft unsicher. Eine belastbare Kosten-Nutzen-Abwägung wird dadurch nahezu unmöglich. In einem Interview formulierte ein Betriebsleiter diesen Zielkonflikt plastisch:
„Und die [Kosten-Nutzen-Analyse, Anm.d.V.] ist extrem schwierig, weil wir natürlich in einem sehr beweglichen wirtschaftlichen Umfeld sind. Wenn Sie jetzt alleine sehen, wir haben jetzt gerade eine Halbierung der Holzpreise erlebt [...] und wenn ich mir jetzt die Frage stelle, von dem wenigen Geld, was überhaupt noch bleibt, was mache ich mit dem? Stecke ich lieber [...] eine Pflanze in den Boden [...] oder kaufe ich eine neue Computergeneration oder beschäftige ich mich mit der Verfolgung des Holzes in der Wertschöpfungskette oder versuche ich eine permanente Satellitengestützte Vorratsdatenbank aufzubauen oder, oder, oder. Ich könnte Ihnen X-Dinge nennen. Dann kann ich Ihnen sehr schnell sagen, und ohne nachzudenken, was ich tun werde“ (vgl. Deselaers, 2020).
Diese Aussage verweist auf ein zentrales Problem: Wenn strategische Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung mit elementaren forstbetrieblichen Grundbedürfnissen konkurrieren, verliert häufig der digitale Fortschritt – nicht aus ideologischer Ablehnung, sondern aus ökonomischen Zwängen.
Die Investitionen in digitale Systeme stehen in einem deutlichen Zielkonflikt zur Substanzerhaltung des Waldes. Die Entscheidung zwischen Waldpflege und Prozessmodernisierung ist keine akademische Abwägung, sondern eine betriebliche Realität unter Unsicherheiten. Diese wird verschärft durch volatile Holzpreise, steigende Kosten und begrenzte Zeitressourcen. Digitalisierung wird dann zur Luxusoption, obwohl sie langfristig Effizienz, Dokumentation und Rechtssicherheit verbessern könnte.
Ein Überblick der häufigsten Hemmnisse aus Betriebsbefragungen zeigt, wie vielschichtig die Situation ist:
Die betriebliche Entscheidungslogik ist von Vorsicht geprägt. Gerade in kleinstrukturierten Betrieben ohne eigene Verwaltungskapazitäten oder Fachberatung überwiegt die Sorge, mit einer Digitalisierungsmaßnahme an der falschen Stelle anzusetzen. Die Konsequenz ist ein verhängnisvoller Stillstand: Nicht aus Trägheit, sondern aus kalkulierter Risikoaversion als rationaler Selbstschutz. In einem Kontext, in dem Förderanträge komplex, Erfolgsaussichten unklar und Mittel begrenzt sind, wird jede Investition zu einer strategischen Wette (ganzer Abschnitt vgl. Deselaers, 2020).
Ein ansehnliches Beispiel für die allmähliche Weiterentwicklung forstlicher Förderlogik bietet die bayerische „Richtlinie zur Förderung projektbezogener Maßnahmen der forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse“ (FORSTZUSR 2021). Zwar scheint die Bezuschussung von EDV-Anlagen und Software zunächst auf die sogenannte „Erstdigitalisierung“ beschränkt, doch können auch spätere Anschaffungen förderfähig sein – sofern sie als „wesentliche technische Neuerung“ qualifiziert werden. In solchen Fällen handelt es sich ausdrücklich nicht um Ersatzbeschaffungen, sondern um anerkannte Weiterentwicklungen der digitalen Infrastruktur. Als Richtwert gelte dabei ein Zeitraum von etwa fünf Jahren; nach dessen Ablauf kann – bei nachvollziehbarer Begründung – ein erneuter Antrag gestellt werden. Diese Auslegung erschließt sich allerdings nicht direkt aus dem Richtlinientext selbst, sondern wurde erst durch eine Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bestätigt.
Der Fall verdeutlicht exemplarisch, wie gut gemeinte Programme durch technokratische Statik und juristische Spitzfindigkeit ihre eigene Wirksamkeit abschwächen.
Der Effekt:
"Gefordert wurden höhere Förderungen, eine erleichterte Förderantragsstellung und eine bessere Kommunikation bezüglich der Fördermöglichkeiten, um das Hindernis der hohen Investitions- und gegebenenfalls auch der laufenden Kosten abzuschwächen."
Rahm, J., Bauer, J., & Röder, H. (2021). Digitalisierung der Forstwirtschaft in Bayern. LWF aktuell, Heft 131 (Ausg. 4/2021), S. 21–23. Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft Bayern. 🔗https://www.lwf.bayern.de/wissenstransfer/forstliche-informationsarbeit/
In der Befragung unter bayerischen Forstbetrieben zeigte sich trotz großer Motivation zur Digitalisierung eine Reihe von Hemmnissen: Tagesgeschäft und Kosten lassen wenig Raum für digitale Projekte, geeignete Beratung fehlt oft, verfügbare Förderprogramme sind vielen nicht bekannt und es mangelt an Schulungen des Personals. Diese Faktoren bremsen den digitalen Wandel in forstlichen KMU erheblich.
Die Förderung der forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse in Deutschland basiert auf der Bund-Länder „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK). Auf dieser Grundlage werden Bundesmittel bereitgestellt, die durch die Länder kofinanziert und anschließend für spezifische Maßnahmen verwendet werden: etwa zur Förderung von Waldpflegeverträgen, zur Mitgliederaktivierung, zur Bündelung des Holzaufkommens, für Personalqualifikation und Geschäftsstellenentwicklung sowie für Weiterbildung und Projektmanagementmaßnahmen, die auf eine strukturelle Stärkung der Mitgliedsflächen abzielen.
Doch diese Mittel stehen ausschließlich forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen zur Verfügung – Einzelbetriebe bleiben ausgeschlossen. Insbesondere in Fragen der Digitalisierung – einem Bereich, in dem Zusammenschlüsse zumindest punktuell unterstützt werden – bleiben individuelle Forstbetriebe förderpolitisch nahezu unsichtbar.
Es entsteht ein widersprüchliches Bild: Während die strukturelle Entwicklung von Zusammenschlüssen staatlich gestützt wird, bleiben jene Betriebe, die diese Strukturen mit Leben füllen, auf sich gestellt. Ist das noch sachgerecht – oder bereits ein struktureller Nachteil mit diskriminierendem Charakter?
Die Unternehmensentwicklung der Forstbetriebe wird bislang als Nebensache behandelt – ein strategischer Fehler mit weitreichenden Folgen. Ohne gezielte Förderung von Digitalisierung, Organisation und Qualifikation bleibt der Sektor strukturell unterfinanziert und verwaltungstechnisch überfordert. Die bestehende Förderarchitektur blendet die kleinteilige Realität der Betriebe systematisch aus. Es braucht eine Wende: weg von technokratischer Gleichmacherei, hin zu praxisnaher, zugänglicher Unterstützung. Denn eine zukunftsfähige, resiliente Waldwirtschaft beginnt nicht nur im Bestand – sondern auch im Büro.